Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand,
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor allen dir gewogen,
Fühlt überall nach dir sich heimlich hingezogen,
Fühlt selbst im Paradies sich doch aus dir verbannt;
O möchte wenigstens mich nicht die Ahnung trügen,
Bey meinen Vätern einst in deinem Schooß zu liegen!

- Christoph Martin Wieland

 

Text von Dr. Uwe Degreif, Museum Biberach
Sein Augenmerk gilt dem Moment. Und den Gruppen. Gelegenheit bieten ihm Anlässe der Brauchtumspflege, bei denen sich Menschen kostümieren, in Trachten oder Uniformen kleideten und gemeinsam auftreten. Oder bei denen sie sich mit anderen einem Hobby oder einer Freizeitbeschäftigung widmen.
 
Stets fotografiert er diese Gruppen zweimal und kombiniert die Aufnahmen. Dass er die Situationen nicht einfach vorfindet, sondern selbst entwirft und die Beteiligten dafür arrangiert, das erschließt sich einem sofort. Dass er die Aufnahmen auch digital nachbearbeitet und am Bildschirm quasi ein zweites Mal erschafft, das ahnt man. Dennoch enthalten seine Kompositionen sehr viel Dokumentarisches und zeigen den Landkreis aus einem überraschenden Blickwinkel. Es ist die Sicht auf das Dörfliche und Bäuerliche und auf die Traditionspflege unter moderne, d.h. medialen Bedingungen. Einerseits geht es um Regeln und Überlieferung, andererseits wissen sich die Akteure in Szene zu setzen und posen für den Fotografen. Mode spielt zunehmend eine Rolle, sei es am Baggersee, vor dem Kuhstall oder am Rande einer Prozession. Die Differenz, die sich zwischen realem Ort und der Künstlichkeit der Haltung ergibt, schafft den Eindruck einer gewissen Ungleichzeitigkeit und Fremdheit. Dadurch offenbaren die Aufnahmen eine eigene künstlerische Handschrift.

Riederers Aufnahmen machen unterschiedliche Gefühle sichtbar und sie lösen unterschiedliche Gefühle aus: Stolz, Selbstbewusstsein, Unsicherheit, Langeweile mischen sich bei den Darstellern, Ratlosigkeit, Mitgefühl, Lächeln, Stirnrunzeln bei den Betrachtern.
 
Die beiden Preisträger Jennifer Vahlbruch und Joachim Manuel Riederer stehen für das weite Spektrum heutiger Fotografie. Dies drückt sich nicht nur in den unterschiedlichen Konzepte aus, sondern auch in den Formaten, in den Bildträgern, und auch darin, dass Jennifer Vahlbruch die Farbfotografie bevorzugt, während Joachim Riederer am Schwarzweiß festhält.
Dr. Uwe Degreif, Museum Biberach